Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen lud am 8. Mai zum Vortragsnachmittag ins Schlaue Haus Oldenburg ein. Die rund 40 Teilnehmer informierten sich in drei Vorträgen zu den Themenfeldern der zeitgemäßen Bestandserfassung und des Bauens im Bestand.
Der Vortragsort wurde mit Bedacht gewählt: Vor knapp zehn Jahren wurde das denkmalgeschützte Bürgerhaus im historischen Stadtzentrum von Oldenburg unter Einsatz nachhaltiger Technologien aufwendig modernisiert und umfangreich für eine seine heutige Nutzung als Tagungs- und Veranstaltungszentrum umgebaut. Ziel des Umbaus war, einen Ort zu schaffen, an dem sich Wissenschaft und Gesellschaft austauschen und in den Dialog miteinander treten. Passend dazu lud das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen Interessierte ein, sich zum Thema der zeitgemäßen Bestandserfassung und des Bauens im Bestand zu informieren.
Um das Thema einzuleiten, wurde zunächst die Bestandserfassung sowie die Planung und Umsetzung des Veranstaltungsorts selbst aus Sicht der Tragwerksplanung dargestellt. Die damalige Planung von Behnisch Architekten sah vor, den Altbau des heutigen Schlauen Hauses weitgehend zu erhalten und das historische Giebelhaus um einen Neubau zu erweitern. Referent Christian Niehaus, Gesellschafter der OP Engineers GmbH und damaliger Projektbeteiligter, berichtete anschaulich vom umfangreichen Erfassungs-, Planungs- und Umbauprozess. Das Ingenieurbüro, das in Arbeitsgemeinschaft mit der Ingenieurberatung Bröggelhoff aus Oldenburg für die Tragwerksplanung verantwortlich war, setze damals ein Tachymeter zur Erfassung der historischen Holztragkonstruktion ein. Darauf basierend wurde ein verformungsgerechtes 3D-Modell erstellt, das die Höhenproblematik in den Raumabfolgen zwischen Alt- und Neubau besonders deutlich machte. Auf Grund der Erfassungsdaten war es möglich, diese und zahlreiche andere Herausforderungen frühzeitig planerisch zu lösen. Auch wurde das Modell für Visualisierungszwecke in Planungsbesprechungen mit den Baubeteiligten herangezogen und allen zur Verfügung gestellt, so dass unterschiedliche Problemstellungen frühzeitig erkannt und gemeinsam gelöst werden konnten.
Was damals noch eine Besonderheit darstellte, ist heute vielfach normaler Planungsalltag. Die Möglichkeiten des Einsatzes von digitalen Werkzeugen sind vielfältig. Einen kurzen Überblick dazu gab Christian Kreyenschmidt vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen. Er beleuchtete zunächst, dass über 70 Prozent des Umsatzes im Hochbau im Bestandsbau stattfinden und die Erfassung dessen als planerische Grundlage bedeutend sei. Nur so ließen sich Risiken richtig einschätzen und Planungsqualitäten im individuellen Bestandsbau mit steigenden Anforderungen transparent umsetzen. Zudem lasse sich der Einsatz von digitalen Werkzeugen und Methoden auf Grund des steigenden Fachkräftemangels nicht umgehen. Die Ressource „Fachkraft im Handwerk“ werde zunehmend knapp, so dass alternative Wege zwangläufig beschritten werden müssten, sagte Christian Kreyenschmidt. Nicht zuletzt auch, um das Bauen wieder günstiger zu machen. Dabei könne die Erfassung von Geometrien im Bestand ein erster hilfreicher Schritt sein, wohin gehend die Erfassung von semantischen Informationen im Modell noch „Handarbeit“ sei. Aber auch hier werde es in naher Zukunft Möglichkeiten der bildbasierten Erfassung und anschließender Auswertung der Informationen über Algorithmen geben. Anhand unterschiedlicher Umsetzungsprojekte des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Planen und Bauen stellte Christian Kreyenschmidt die bisher gesammelten Erfahrungen anschaulich dar, die großes Interesse bei den Teilnehmern des BIM-Frühjahrsmeetings weckten.
Welche Arten der Bestandserfassung und Informationsverwertung es derzeit gibt, erläuterte im Anschluss Jelde Borgmann vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen. Der Vermessungsingenieur stellte anschaulich und anhand zahlreicher Praxisprojekte die unterschiedlichen Erfassungstechniken von der Photogrammmetrie bis zum 3D-Laserscanning dar und betonte, dass die Aufnahme- und Verwertungsmöglichkeiten vielfältig seien. Je nachdem, welche Informationen für die weitere Planung und das spätere Facility Management benötigt würden, sei das Verfahren und die entsprechende Informationsverarbeitung zu wählen. Sein Credo: erst das Ziel definieren, dann den Weg bestimmen. Dies riet er auch den anwesenden Teilnehmern. Denn nur wenn Bedarfe ausreichend definiert und geschärft seien, könne zielgerichtet aufgenommen werden. Eine wesentliche Rolle für alle Baubeteiligten spielen in der BIM-Methode dabei die Auftraggeberinformationsanforderungen – kurz AIA – und der BIM-Ablaufplan – kurz BAP. Nur durch Transparenz der Ziele, Anforderungen, Prozesse und Verantwortlichkeiten lasse sich die Methode BIM gewinnbringend für alle nutzen.
In der abschließenden lebhaften Diskussion wurden zahlreiche Fragen zu Verfahren und Erfahrungswerten gestellt, sowie Nutzungsmöglichkeiten von 3D-Modellen besprochen.
10.05.2019