GIS und BIM verbünden sich


Wenn Kommunen, Planer und Bauunternehmen BIM-Daten mit GIS kombinieren, können Bauvorhaben optimaler geplant und betrieben werden. Unter dem durch ein Forschungsvorhaben geprägten Begriff CityBIM oder schlicht unter dem Namen BIM-GIS-Integration wird diese Kooperation in Städten wie Bremen, Scheinfeld und Zürich nach und nach Realität.

Was hat Bremen, was andere Städte gerne hätten? Das Landesamt für Geoinformationen „hostet“ die gesamte Stadt als virtueller Zwilling vor Ort – und treibt derzeit rund ein Dutzend Planungsprojekte mit Unterstützung dieses Stadtmodells voran. Interessenten stellt die Behörde die 3D-Daten jeder Straße, jedes Hauses und jeder Brücke online zur Verfügung. Es gibt eine Liegenschaftskarte, Daten, die Hochspannungsmasten und Windkraftanlagen zeigen, ein texturiertes 3D-Oberflächenmodell und vieles mehr. Wer möchte, kann die einzelnen Orte nicht nur virtuell erkunden; der digitale Zwilling bietet darüber hinaus verschiedene Analysefunktionen zu Schattenwurf und Sichtbarkeit sowie umfangreiche Messfunktionen. 

Bremen: Stadtplanung mit GIS-Modellen

Angefragt werden die als GIS-Modell angelegten Informationen unter anderem von Planern und Bauunternehmen, die auf dieser Basis ihre eigenen Projekte in den Kontext der vorhandenen Stadtstruktur stellen. So kann beispielsweise das Landesamt für Denkmalpflege überprüfen, ob der Entwurf die Sichtachsen zu denkmalgeschützten Gebäuden verdeckt. Ingenieurbüros nutzen die Daten für Windsimulationen, um sicherzustellen, dass mit dem geplanten Neubau keine Windschneise entsteht und die Stadtplanung überprüft damit, wie gut sich ein Bauvorhaben in die bestehende Bebauung einfügt. Auch Bürgerbeteiligungen in digitaler Form, zum Beispiel über webbasierte Projekt- und Stadtmodellansichten oder Online-Umfragen, sind mit Hilfe eines GIS-Modells möglich.

Wie können GIS und BIM voneinander partizipieren?

Ein „Geographic Information System“ bzw. zu deutsch Geoinformationssystem, kurz: GIS, ermöglicht die Registrierung, die Verarbeitung, die Analyse und die Präsentation von raumbezogenen Daten. GIS-Informationen beziehen sich auf ganze Städte, Regionen oder sogar Länder – also auf Geoinformationen außerhalb von Gebäuden. BIM wiederum widmet sich den Bauwerken selbst. So lassen sich mit BIM physische Bauwerke auf Objektebene entwerfen und mit modellbasierten Informationen versehen. Dies erleichtert die Planung, Errichtung und den Betrieb von Bauvorhaben oder Anlagen enorm. Da sich die Planung und Erstellung von Gebäuden jedoch auf ihre äußere Umgebung auswirkt, sollten die Gebäude so gebaut werden, dass sie sich in den landräumlichen und städtebaulichen Kontext integrieren. Informationen aus einem GIS können demnach im Zusammenspiel mit BIM-Anwendungen die Standortauswahl und entwurfliche Einordnung vor Ort erleichtern, während BIM-Modelle dabei unterstützen, detaillierte Gebäudemodelle in einem GIS zu implementieren und damit nachhaltigen Nutzen im Projektmanagement eines konkreten Bauvorhabens, aber ebenso im Nachgang für alle Folgeprojekte, zu erzeugen.

Was ist eine BIM-GIS-Integration?

Werden beide Technologien, also GIS und BIM, miteinander kombiniert und Projektdaten, die in ein GIS-Modell einfließen, mit BIM erstellt, können integrierte Daten für Bauprojekte und für deren Umgebung geliefert werden. So entsteht aus einzelnen Datenfragmenten ein digitales Netzwerk, das für alle Beteiligten in Behörden, Stadt und Planungsbüros Vorteile birgt. Dies erlaubt unter anderem die Gestaltung eines Objekts im Kontext einer größeren, „intelligenten Landschaft“, so beispielsweise in der Verknüpfung von Versorgungsleitungen und Straßen zu einem digitalen Geflecht im Zusammenspiel mit BIM-Gebäudemodellen. Ein Architekturprojekt, das die Daten aus heterogenen Quellen wie BIM, dem Internet der Dinge (IoT), GIS und meteorologischen Diensten integriert, kann verwendet werden, um das Energieverhalten von Gebäuden zu simulieren und zu verwalten. Auf dieser Basis sind im späteren Gebäudebetrieb Echtzeitüberwachungen und praxisnahe Simulationen möglich, um den Energieverbrauch exakt vorherzusagen. Darüber hinaus spielt die BIM-GIS-Integration eine wichtige Rolle im städtischen Datenmanagement: Stadtdaten können als dynamisch und vernetzt definiert und ein Austausch von Gebäude- und Straßenraum-Daten erreicht werden, um beispielsweise Notfallevakuierungsverfahren zu optimieren.

Risikominimierung durch die Integration des realen Ortes

Indem ein Projekt im Kontext mit dem realen Ort geplant wird, lässt sich ein Großteil der Risiken während der Projektierung und Bauausführung ausschließen. Dies ist insbesondere für Infrastrukturprojekte wichtig, die im Zuge der Planung auf ihre sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen zu prüfen sind. Auch nach der Fertigstellung eines Projekts erweist sich ein GIS hierbei als nützlich. Das flexible Modell liefert dem Facility-Management alle Daten, die für den Betrieb einer Anlage über den gesamten Lebenszyklus benötigt werden. In der Cloud gespeicherte Daten können zudem weltweit in jeder beliebigen Umgebung verwaltet, in anderen Kontexten wiederholt und für verschiedenste Zwecke genutzt werden. So lassen sich GIS-Informationen in vielfältigen Softwaresystemen global verarbeiten und überprüfen – z.B. um das Risiko für eine Region oder einen Ort im Fall eines Erdbebens oder Hochwassers zu ermitteln. 

Herausforderung Schnittstellen 

Eine Herausforderung stellen bei der Integration aktuell jedoch noch die Schnittstellen dar. Das in BIM verwendete Substantivmodell der Industry Foundation Classes IFC und City Geography Markup Language (CityGML) sind die beiden wichtigsten semantischen Modelle, die derzeit zur Darstellung von BIM- bzw. GIS-Modellen verwendet werden. CityGML hat sich zum Standardmodell für die Modellierung von Stadtgebieten entwickelt, während IFC das Referenzmodell für die Modellierung von Gebäuden und Veranstaltungsorten ist. Da BIM- und GIS-Daten in Bezug auf Koordinatensystem, Fokusbereich und Datenstruktur jedoch auf unterschiedliche Weise erstellt, verwaltet, analysiert, gespeichert und visualisiert werden, gibt es Inkompatibilitäten zwischen den Datensätzen. Semantik, Geometrie und Detaillierungsgrad unterscheiden sich. Studien haben jedoch gezeigt, dass das in BIM verwendete Substantivmodell IFC in ein GIS-Oberflächenmodell umgewandelt werden kann, indem aus BIM erhaltene geometrische und semantische Informationen in eine raumbezogene Umgebung übertragen werden. 

Erste Schritte mit CityBIM

Der Ursprung der Bezeichnung CityBIM resultiert aus einem Verbundprojekt zwischen der HTW Dresden und dem Berliner Unternehmen VirtualCitySystems. Ziel dieses von 2018 bis 2020 laufenden Forschungsprojektes war es, Architekten und Bauplanern einen unkomplizierten Zugang zu virtuellen 3D-Stadtmodellen zu gewährleisten. Dies sollte innerhalb der den Planern vertrauten BIM-Systeme geschehen, indem damit entwickelte Objekte mit in GIS geplanten virtuellen 3D-Stadtmodellen kombiniert wurden. Von der Kooperation profitieren seither Energiekonzepte, Verkehrsinfrastrukturen und Nachhaltigkeitszertifizierungen.

Beispielprojekte: von Aurelis Real Estate…

In Bremen, Hannover, Lörrach oder Freiburg im Breisgau setzen die Stadtplaner daher schon seit geraumer Zeit auf digitale Stadtmodelle und kombinieren sie mit den Daten diverser Bauvorhaben, die Architekten und andere Planer oder Baubeteiligte liefern. Auch die ersten Unternehmen haben – im Rahmen von Pilotprojekten – die Vorteile von BIM und GIS-Integration entdeckt. So nutzt die Aurelis Real Estate GmbH seit 2013 eine webbasierte Lösung als Auskunftssystem, um den Bestand an Flächen und Gewerbeobjekten bedarfsgerecht zur verwalten. Die sukzessive Erweiterung des Datenbestands um Laserscandaten in Form eines 3D-Würfelmodels und topographischer Informationen hatte dazu geführt, dass Daten teilweise doppelt erfasst worden waren oder die Qualität nicht gewährleistet war. In einem Pilotprojekt wurde daher geprüft, inwieweit neue, vom LDBV Bayern gelieferte 3D-Daten nutzbar waren und welche Mehrwerte sich daraus generieren ließen. 

…über Scheinfeld

Die Stadt Scheinfeld griff auf von der bayerischen Vermessungsverwaltung im GIS zur Verfügung gestellte Geobasisdaten (2D: ALKIS, ATKIS, DOP, DOK, Hauskoordinaten) 

zurück, um ihren Stadtkern in 3D visualisieren zu lassen – und das Ergebnis in einem Pilotprojekt für die Optimierung von Bauvorhaben (z. B. Photovoltaik) im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz zu nutzen. So wurden Sichtfeldanalysen durchgeführt, um bestehende Photovoltaikanlagen zu visualisieren und die Wirkung geplanter Anlagen auf das Stadtbild zu diskutieren. Kamerafahrten ermöglichten die Visualisierung des Altstadtbereichs, wenn beispielsweise Veränderungen bei Stadtratssitzungen zur Diskussion standen – und Simulationen präsentierten die Auswirkungen von Neubauten.

…und Zürich

Um derartige Möglichkeiten künftig ebenfalls ausschöpfen zu können, verfolgt auch die Stadt Zürich eine umfassende BIM-Strategie. Ziel ist ein durchgängiges Daten- und Informationsmanagement, das zu BIM-Modellen von Bauwerken führen soll, die wiederum in den digitalen Zwilling der Stadt integriert werden können. Von diesem Datenpool erhoffen sich die Verantwortlichen eine Grundlage, um in Zukunft bessere Erkenntnisse zu gewinnen, fundierter Entscheidungen zu treffen und hochqualitative bauliche Ergebnisse zu erzielen. Zudem sollen mit dieser Methode übergeordnete Grundsätze und strategische Ziele unterstützt werden. In die Umsetzung kommen die Strategie und die daraus abgeleiteten Maßnahmen in den nächsten Jahren in vier Handlungsfeldern: Mensch, Prozesse, Technik und Standards. Ein dezidierter Stufenplan stellt sicher, dass sich alle Handlungsfelder parallel entwickeln. Im ersten Schritt (2021 bis 2022) ist die Sensibilisierung, also die Annäherung an das Thema BIM bzw. die Integration von BIM in die Kernprozesse geplant. Von 2023 bis 2024 steht der bedarfsgerechte, flächendeckende Aufbau der Kompetenzen und die Befähigung an. 2025 bis 2026 kommt dann die schrittweise Umstellung auf die neue Arbeitsweise mit BIM in die Umsetzung.

.. bis zu Grasbrook und The Urban Tech Republic

The Urban Tech Republic Berlin nutzt die Kombination von GIS und BIM schon jetzt intern für die Datenverwaltung und Planung – und auch das Projekt Grasbrook der HafenCity Hamburg GmbH setzt auf eine BIM und GIS-Integration. „Beide Projekt gehen methodisch ähnlich vor“, erklärt Gregor Grassl, CityBIM-Spezialist bei Drees & Sommer SE. Allerdings betreffe die Umsetzung derzeit eher noch planerische und strategische Stufen, stellt er heraus und zieht erste Bilanz: „Im Straßenbau ist es inzwischen möglich, dass der Fertiger beispielsweise die bewegte Erdmasse auf Basis der mit CityBIM gelieferten Daten abrechnet. Diese Möglichkeit wird derzeit auch schon genutzt. In der Bauindustrieebene ist man allerdings gerade erst dabei, die Lücke der CityBIM-Leistungen von der Planung bis zum Fertiger zu schließen. Hier geht es derzeit darum, die Schnittstellen der verschiedenen Softwarelösungen zusammenzuführen. Doch das Potenzial ist da – dass CityBIM irgendwann auch im Bauhandwerk und in der Fertigung zum Alltag gehört.“


12.05.2022