Pressemitteilung/Veranstaltungsrückblick
Berlin, 21. September 2016
6. BIMiD-Fachsymposium am 13. September 2016 in Berlin: Für BIM gibt es kein Patentrezept!
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Modellprojekt „BIMiD – BIM-Referenzobjekt in Deutschland“ veranstaltete am 13. September 2016 in Berlin sein mittlerweile 6. Fachsymposium. Im Mittelpunkt standen ein erstes Fazit vom Bauherrn des BIMiD-Referenzobjektes in Braunschweig sowie die Zwischenergebnisse der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung. Fazit: Für BIM gibt es kein Patentrezept und bei der Einordnung von BIM-Projekten müssen mindestens drei unterschiedliche "Perspektiven" berücksichtigt werden. Den kompletten Tagungsrückblick gibt es unter www.BIMiD.de/Veranstaltungen.
An der Veranstaltung im Besucherzentrum des Bundespresseamtes nahmen gut 160 Baufachleute aus ganz Deutschland teil. Am Beispiel der beiden BIMiD-Referenzobjekte in Braunschweig und Ingolstadt wurden wieder zahlreiche unterschiedliche Aspekte rund um das Thema Building Information Modeling (kurz: BIM) präsentiert: Der inhaltliche Schwerpunkt lag dieses Mal auf der Ausführungsphase, vor allem mit der Frage: „Wie und in welchem Umfang kann das BIM-Modell in der Umsetzungs- und Bauphase genutzt werden?“ Danneben ging es auch um Fragen der Prozessoptimierung sowie um BIM in der Ausbildung.
Bereits in der Begrüßungsrede brachte Prof. Dr. Klaus Peter Sedlbauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP, die Erwartungen an Building Information Modeling auf den Punkt: Gebäude werden durch BIM besser werden! Mit besonders großem Interesse wurde daher das erste Zwischenfazit von Volkswagen Financial Services AG (VWFS), dem Bauherrn des Bürogebäudes in Braunschweig, sowie die Zwischenergebnisse des mit der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung befassten Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim erwartet.
Mit BIM macht Bauen wieder Spaß!
Sabine Burkert, Projektverantwortliche bei VWFS, zog für die betrachteten Teilaspekte von BIM (Prozesse, Software, IT-Standards, Kommunikation, Kosten, Zeit und Qualität) ein durchweg positives Resümee. Besonders überzeugte sie das im Vergleich zu früheren Bauprojekten deutlich geringere Nachtragsaufkommen, wodurch es im Bauablauf insgesamt deutlich weniger Störungen gab. Da gegen Ende des Projektes mit dem BIM-Modell eine zentrale Datenbasis existiert, ergeben sich entsprechend positive Auswirkungen auf Datenkonsistenz und Transparenz. Auch treten deutlich weniger Missverständnisse auf wegen einer allgemein gesteigerten „visuellen Verständlichkeit“ dank der Kommunikation mithilfe des BIM-Modells. Darüber hinaus besteht wesentlich früher Kostensicherheit, da die Ausschreibungen für die wichtigsten Gewerke innerhalb von nur drei Monaten auf den Markt gebracht werden konnten. Dies bedeutete weniger Stress und die Möglichkeit, nachgelagerte Teams früher in die Prozesse einzubinden. Sabine Burkert kam zum Ergebnis, dass Bauen mit BIM wieder Spaß macht und BIM für VWFS daher auch in Zukunft der richtige Weg sei.
Mindestens drei Perspektiven auf BIM berücksichtigen!
Moritz Bischof vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim hatte das Bauprojekt in Braunschweig zwei Jahre lang kontinuierlich begleitet und dabei zahlreiche Interviews mit Beteiligten geführt. Er macht deutlich, dass vor der Einordnung der Ergebnisse die Frage nach den Erwartungen an die BIM-Umsetzung stehen müsse. Dabei hat er drei unterschiedliche „Perspektiven“ herausgearbeitet: 1. “IT” (BIM vorrangig als IT-Thema), 2. “Modell” (Nutzen des Datenmodells) und 3. “Management” (BIM als Projekt- und Kommunikationsmanagement-Werkzeug). Gemeinsames Ziel aller BIM-Perspektiven sei die Optimierung von Zeit, Kosten und Qualität. Bei allen drei Teilaspekten gebe es in Braunschweig im „Vor-BIM“- und „Mit-BIM“-Vergleich deutliche Verbesserungen festzustellen. Unterscheidet man nach den drei unterschiedlichen Perspektiven, dann fällt auf, dass unter dem Gesichtspunkt „Modell“ und „Management“ sehr deutliche Verbesserungen festzustellen sind. Vor allem das Gebäudemodell biete als zentrales Werkzeug zur Kommunikation enorme Vorteile. Die dadurch beförderte lösungsorientierte Kommunikation macht Planen und Bauen effektiver. Die Parallelisierung vieler Prozesse führte zu einem früheren Zeitpunkt zu einem abgestimmten Planungsstand. Abstriche gab es aus Sicht der IT-Verwendung. Der konsistente, d.h. verlustfreie Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Beteiligten mittels offener, softwareunabhängiger Schnittstellen funktionierte nur zum Teil. Darauf reagierte der Bauherr in Braunschweig schon frühzeitig, indem er sich dazu entschied, einen externen Dienstleister mit Zusammenführung und Pflege eines Koordinationsmodells zu beauftragen. Während BIM also als Methode zur Optimierung von Prozessen, Kommunikation und zur Bereitstellung einer konsistenten Datengrundlage bereits gut funktioniert, gibt es beim Datenaustausch mit offenen Schnittstellen noch Nachholbedarf. Hier sind insbesondere die Softwareanbieter gefordert.
Projektteams für BIM motivieren
In der folgenden vom Projektleiter Peter Noisten, Fraunhofer IBP, geleiteten Podiumsdiskussion gab es vorwiegend Fragen zum Praxisbericht des Bauherrn. Der Schwerpunkt lag hierbei neben der Anwendung von Werkzeugen und Modellen verstärkt auf dem Faktor Mensch. "Wie konnten die Beteiligten zur Anwendung von BIM motiviert bzw. deren Ängste und Bedenken abgebaut werden?", lautete die zentrale Frage. Sabine Burkert spiegelte hierbei auch aus ihrem Projekt Licht und Schatten, die sie hierzu erlebt hat. Festzuhalten blieb jedoch, dass diejenigen, die sich mit Freude und einer eigenen Erwartungshaltung mit BIM auseinandergesetzt haben, auch für sich Chancen und neue Perspektiven entwickeln konnten. Zudem traten in diesen Gewerken während der Bauphase feststellbar weniger Probleme auf.
Prozessoptimierung und Ausbildung in BIM
Im Weiteren wurde das Programm durch Beiträge weiterer BIMiD-Projektpartner ergänzt: Aude Bougain vom Fraunhofer IBP stellte den von den BIMiD-Projektpartnern entwickelten BIM-Referenzprozess in der praktischen Anwendung vor. Wichtig sei, dass dieser „Referenzprozess“ eher eine Orientierungshilfe sei, die für die optimale Wertschöpfung von Projekt zu Projekt auf die Bedürfnisse eines jeweiligen Unternehmens angepasst werden müsse. Im Anschluss daran ist das Prozessmanagement entscheidend, um nachhaltige Ergebnisse zu sichern. Stefan Kumschier von Leitwerk Consulting stellte dabei praktische Methoden vor, die zu dauerhaften Prozessoptimierungen führen. Dr.-Ing. Thomas Liebich vom Projektpartner AEC3 erläuterte die für BIM wichtigen Prozessschritte von den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) bis zur Datenübergabe mit open BIM. Er machte darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, zu jedem Zeitpunkt und für jeden BIM-Anwendungsfall den richtigen Vollständigkeitsgrad aller Daten in den Fachmodellen abzubilden, dies vorab im BIM-Pflichtenheft zu beschreiben und abschließend auch prüfen zu können. Er zeigte dies am Beispiel der eigenen Datenbank-Lösung “BIM*Q”. Prof. Dr.-Ing. Hans-Hermann Prüser von der Jade Hochschule stellte in seinem Vortrag die Herausforderungen an die Hochschulen dar, wie sie sich aus der didaktischen Aufbereitung der beiden Referenzobjekte ergeben. Noch wichtiger als „neue“ BIM Studiengänge aufzubauen ist es, die bestehenden zielorientiert um BIM-Inhalte zu ergänzen. Der Arbeitsmarkt erwartet schon jetzt die entsprechenden Kompetenzen von den zukünftigen Ingenieuren. Die Hochschulen können und müssen umgehend Modelle für BIM-orientierte Fachplanungen und Prozesssteuerungen entwickeln. Sie benötigen dazu, die passenden finanziellen und personellen Ressourcen und vor allem eine Ausstattung der Hörsäle, Seminarräume und Arbeitsplätze, in denen das Berufsbild wirklichkeitsnah simuliert werden kann: „BIM gibt’s nicht umsonst.“
Weitere Praxispartner berichteten von Erfahrungen der Bauleitung mit BIM in Braunschweig (Aurelio Centmayer und Henning Oetke, GP Dr. Grossert Planungsgesellschaft) sowie, ebenfalls in Braunschweig, mit BIM im Innenausbau (Matthias Jakisch, Lindner Gruppe). Franz Madl von pbb Planung + Projektsteuerung, Generalplaner beim Referenzobjekt in Ingolstadt, thematisierte die Frage „Wie kommt TGA as-built ins BIM-Modell?“. Er zeigte sich gewiss, dass BIM die Baubranche zukünftig nachhaltig verändern wird: Projektplanungen und -phasen verschieben sich, auch die VOB müsse an die neuen Prozesse angepasst werden. Die heute üblichen CAD-Zeichnungen in 3D würden reduziert werden auf rein grafische Darstellungen, der eigentliche Content werde dann vollständig im BIM-Datenmodell verfügbar sein.
Kreuzfahrtschiffbau: 15 Millionen Teile und 800 Lieferanten
Einen Einblick in die Planungs- und Produktionsprozesse in einer gänzlich anderen aber vergleichbaren Branche gewährte der Keynote-Speaker Dr. Felix Lootz von der Meyer Werft in Papenburg: Er berichtete über den Einsatz innovativer Technologien und Konzepte im Kreuzfahrtschiffbau („schwimmende Hotels“) und berichtete über die Herausforderung, aus 15 Millionen Einzelteilen von 800 Lieferanten ein Schiff zu bauen. Das Management dieser Komplexität und die herausfordernde Kostensituation stellen ebenfalls sehr hohe Anforderungen an die Modellierung.
Den Veranstaltungsrückblick mit Fotogalerie und allen Präsentationen zum Downloaden gibt es in Kürze auf www.bimid.de/Veranstaltungen.
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Hintergrund von BIMiD
Das Bauwesen in Deutschland ist durch die Zusammenarbeit vieler kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) geprägt. Durch den Unikatcharakter der Bauaufgaben entstehen immer wieder neue projektbezogene Konsortien, die ihre jeweiligen eigenen Geschäftsprozesse aufeinander abstimmen müssen. Dabei steht die Bauindustrie international vor der Herausforderung einer stetig zunehmenden Spezialisierung. Damit einhergehen eine fortschreitende Fragmentierung der Planung und eine daraus resultierende steigende Komplexität der Bauvorhaben mit vielen gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen. Das alles bei anhaltend steigendem Termin- und Kostendruck.
Mit klassischen Planungsmethoden sind die wachsenden Anforderungen an Bauvorhaben immer weniger zu beherrschen. Aus diesem Grund werden seit mehreren Jahren intensiv neue IT-gestützte Verfahren entwickelt und erprobt. Diese werden unter dem Begriff Gebäudedatenmodellierung (Building Information Modeling – kurz: BIM) zusammengefasst. Die BIM-Methode setzt bei der Planung, Bauausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und sonstigen Bauwerken auf durchgehende, d. h. unternehmensübergreifende und medienbruchfreie Geschäftsprozesse unter Verwendung offener, herstellerneutraler E-Business-Standards. Ziel ist ein dreidimensionale, objektorientierte, computerunterstützte Entwurfs- und Ausführungsplanung in hochgradig vernetzter, Unternehmen übergreifender Teamarbeit. Dadurch sind vor allem in den vielen kleinen und mittelständigen Unternehmen der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft erhebliche Effizienz- und Qualitätssteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich.
Das Modellprojekt BIMiD wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert im Rahmen seines Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital“ gefördert. Daran sind insgesamt sechs Projektpartner mit jeweils spezifischen Aufgaben beteiligt. Im Zentrum des Verbundprojekts BIMiD steht ein konkretes Bauvorhaben, bei dessen Planung und Bauausführung von Beginn an diese Prozesse und Standards angewendet, weiterentwickelt und wissenschaftlich evaluiert werden. Dieses Referenzobjekt wird in den kommenden Wochen in einem Auswahlverfahren ermittelt. Am Ende des Projekts sollen die möglichen Effizienz- und Qualitätssteigerungen aus Sicht der verschiedenen Beteiligten dokumentiert sowie konkrete Handlungsempfehlungen für eine möglichst weite Verbreitung der BIM-Methode in der deutschen Bauwirtschaft abgeleitet werden.
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Hintergrund des Förderprojekts
Das Projekt „BIMiD – BIM-Referenzobjekt in Deutschland“ ist Teil der Förderinitiative „eStandards: Geschäftsprozesse standardisieren, Erfolg sichern“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird. Der Förderschwerpunkt unterstützt gezielt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie das Handwerk bei der digitalen Transformation sowie der Entwicklung und Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). „Mittelstand-Digital“ setzt sich zusammen aus den Förderinitiativen „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“, „eStandards: Geschäftsprozesse standardisieren, Erfolg sichern“ und „Einfach intuitiv – Usability für den Mittelstand“. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.
21.09.2016